Rückblick: Trans* Day of Remembrance

Danke an alle Menschen für die Teilnahme an unserer Kundgebung auf dem Luisenplatz! Hier sind die Reden in voller Länge abrufbar:

Alice Dorothea Janssen

Ich bin müde.
Wir haben dieses Jahr ja erstaunlich leise ein Selbstbestimmungsgesetz bekommen. Der Aufschrei der Ahnungslosen in den Medien hat sich letztes Jahr schon ausgetobt. Und nun sind wir angeblich angekommen. Hurra. Ich bin nur noch ein Verwaltungsakt, ich kann mich nur noch über genau das gleiche Bürokratiemonster aufregen wie alle anderen. Meine Fahne ist nicht mehr Regenbogenbunt oder Babyblau-Mädchenrosa pastellig, ich stehe mausgrau vor Herrn Meier vom Standesamt Mitte. Die ganze antipatriarchale Revolution der Transition ist nur noch langweiliger Verwaltungsakt. Die Menschen haben für diese Sekunde alle mal was von uns und unserem Problem gehört. Wir gruseln uns nur noch ein bisschen davor, wo sie etwas gehört haben und welcher uninformierte Halbjournalist ihnen in welcher Zeitung eine Meinung gebildet hat. Im Bundestag wurde die Transphobie fast eingegrenzt auf die Vogelscheuche von der AfD. Alles ist schön eingeordnet.
Puh. Durchatmen. Wir haben‘s geschafft. Uns geht’s doch gut. Wofür Pride? Wofür diese Veranstaltung hier?

Das war’s an positiven News. Müde sein können wir uns nicht leisten. Schnallt euch an.

426 beurkundete Tote beklagen wir heute. Was heißt das genau? In Deutschland erhebt nur Berlin Daten, die einen Mord oder Suizid mit dem Themenbereich „trans“ verknüpfen können. Deutschland weist in der Statistik wundervoll glänzende 0 Tote auf. Hurra, das sah ja schon mal anders aus. Wir erinnern uns an Ella, deren Grab immer wieder geschändet wird und Malte, dessen Zivilcourage bei einem CSD ihn das Leben kostete. Die Dunkelziffer ist angesichts der Datenlage ganz sicher schon hierzulande vorhanden und ganz sicher nicht realistisch erfassbar.
Islamische bis islamistische Länder erheben keine Daten – und in denen tötet der Staat sogar aktiv mit.
Diktaturen und Despotenregime erheben keine Daten – und in denen tötet der Staat aktiv mit.
Die Höhepunkte der erfassbaren Statistik sind mal wieder: Brasilien, die USA und Mexico.
Dort zeigen sich deutlich die Mechanismen, die uns töten: Patriarchale Sturkturen. Die meisten Toten sind Frauen. Rassismus. Die meisten Toten sind rassifiziert, also indigen, schwarz oder auf die USA bezogen Latinas. Armut. Die meisten Toten mussten ihr Leben als Sexarbeitende bestreiten. Diese Rädchen greifen ineinander, sie sind ohneeinander kaum denkbar.

Seit Anfang dieses Monats nimmt der Horror ganz konkret neue Formen an. Mit Trump gewinnt ein Mensch Macht, der für all das steht, was wir moralisch verachten müssen. Für eine Kultur des Hasses, der Lügen, der Spaltung. Und er wird seine Schergen mitbringen, die großen in den Ämtern und die kleinen auf den Straßen, die Morgenluft wittern ihren Hass gegen uns Tat werden zu lassen. Das ist beurkundet, trans Menschen in den USA berichten seit Trumps Wahlsieg über signifikant angestiegene Hassnachrichten und Todesdrohungen. In den USA, die ihren Kulturkampf ja immer zu uns exportieren, ist der Diskurs allerdings auch weitergegangen. Trans hat kaum noch gezogen, so kurz vor der Ziellinie musste Trump die großen Geschütze auspacken. Also drauf auf die Ausländer oder die körperliche Selbstbestimmung von Frauen. Komisch, das kenn ich aus Deutschland auch.

Zeit zum Durchatmen während andere zur Zielscheibe werden? Nein!

Wir können nur dann verstehen, was uns tötet, wenn wir intersektional denken. Wie ich bereits ausgeführt habe, heult Transphobie immer im Chor. Mit Homophobie, mit Xenophobie, mit Misogynie, mit Deckmäntelchen wie dem Kampf gegen Sexarbeit oder angeblichem Kinderschutz. Wir haben wieder einmal erschreckende Zahlen: 426. Wenn wir im Rauschen aller anderer Krisen die Ohren spitzen, dann hören wir immer noch die Nachrichten, die unsere Community mit definieren.
Transfrau umgebracht.
Transmann durch Selbstmord verstorben.
In den Sozialen Medien, wo alle Bullies sich groß fühlen dürfen, werden wir immer wieder angeschrieben: „Mach dich weg!“ „Bring dich um!“
In den Statistiken dieses Tages geht es oft nur um die Mordopfer. Das ist nur die halbe Wahrheit.
Rosa von Praunheim hat den Film über die Situation der Schwulen so schön benannt, dass ich diesen Titel immer wieder gerne abwandele für andere Minderheiten:
Nicht die trans Menschen sind pervers, sondern die Situation, in der sie leben.
Die Situation ist die Gesellschaft. Die Gründe für Mord und Selbstmord liegen in dieser Gesellschaft. In den meisten Ländern bringen nicht Regime uns um, sondern einzelne Bürger, die das Klima aus Mißinformation und Hass, das die Täter mit den weißen Handschuhen im Hintergrund schüren verinnerlicht haben. Und oft genug bringen wir selbst uns um, weil wir die Perversität dieser Gesellschaft und ihr Mobbing nicht mehr aushalten. In den USA können wir solche Entwicklungen gerade unter der Lupe sehen.

Die zweite Nachricht, die mich dieser Tage nachdenklich stimmt, ist die Aussicht auf baldige Neuwahlen in diesem Land. Das ist beunruhigend, wenn man sich anschaut, dass alle Parteien, die uns zumindest nicht feindlich gegenüber stehen in den Umfragen abgestürzt sind. Dass eine faschistische Partei im Osten 30 Prozent erreicht und die CDU nur deshalb nicht das Schicksal der SPD teilt, weil sie allzu oft fröhlich nachplappert, was die Faschisten vorbeten. Die Uhr der Gesetzgebung kann auch hierzulande rasch zurückgedreht werden. Eine explizite Nennung queerer Menschen im Artikel 3 GG ist uns als einziger der von den Nazis verfolgten Gruppen bisher verwehrt geblieben.

Wenn wir überleben wollen, müssen wir uns wappnen.
Leicht gesagt für eine trans Frau, die lieber sanft wäre als eine Amazone sein zu müssen.
Wenn wir überleben wollen, müssen wir gestalten.
Leicht gesagt für eine marginalisierte Minderheit.
Der Winter kommt. Und wenn wir überleben wollen, dann müssen wir zusammenrücken. In dieser Rede habe ich kein Wort verloren über andere Konflikte dieser Welt – Mit gutem Grund. Es ist zu leicht, sich an diesen Themen zu spalten, wenn wir einander an anderen Fronten brauchen. Wir haben es in den letzten Jahren in dieser Stadt geschafft, lauter und sichtbarer zu sein. Wir haben es uns immer wieder bewiesen: wir sind einander Stützen in schwierigen Zeiten ebenso wie wir Krieger sind, wenn es darauf ankommt. Diese Tugenden wurden in guten Zeiten geübt, damit sie uns in schlimmen Zeiten leichter von der Hand gehen. Wir können sicherlich nicht die Zahlen verändern, die überall in der Welt wieder viel zu hoch sind. Aber ich möchte mit euch weiterhin daran arbeiten, dass wir in Deutschland eine realistische Null hinbekommen.

Maria Stockhaus

Heute Gedenken wir den Opfern transfeindlicher Gewalt.

Auch heute stehen wir als queere Community, als Allies solidarisch an der Seite unserer Freund*innen

Wir stehen solidarisch an der Seite der Menschen, die tagtäglich von physischer und psychischer Gewalt aufgrund von Transfeindlichkeit bedroht sind.

Wir stehen hier und wir beklagen unsere Toten.

Halten uns gegenseitig in der Angst, dass es eine*n von uns als nächstes Treffen könnte.

Wir sprechen unseren Freund*innen Mut zu, wieder hinaus zu gehen in diese Welt, eine Welt voller Bedrohungen

Hinaus zu gehen trotz alledem

Wir sprechen unseren Kindern Mut zu. 

Mut sie selbst zu sein

Wir halten ihre Hände, flüstern ihren Namen beim Einschlafen und hoffen, dass sie in einer freundlicheren Welt aufwachsen werden als der heutigen.

Das sie aufwachsen werden

Die Morde an trans* Personen werden kaum systematisch erfasst. 

Wirklich verlässliche Zahlen gibt es nicht

Das Trans Murder Monitoring spricht in 2023 von 350 ermordeten Menschen (in nur wenigen erfassten Ländern)

Die überwiegende Mehrheit unter Ihnen sind PoC und indigene trans-feminine Personen.

Wir haben hier eine zusätzliche Risiko-Ebene; eine Verschärfung von Transfeindlichkeit durch Rassismus

Doch die Gewalt, der trans* Menschen ausgesetzt sind, beginnt schon viel früher und endet nicht mit dem Tod.

Nehmen wir das Selbstbestimmungsgesetz

  • Es wird eine Wartezeit von 3 Monaten hinterlegt bis eine angemeldete Änderung des Personenstandes auch wirklich vollzogen werden kann
  • Und dann hat Mensch nur 6 Monate Zeit, diese zu ändern
  • Und einmal geändert, darf eine erneute Änderung erst nach einem Jahren erfolgen

Hier sind transfeindliche Erzählungen im Gesetz angekommen.

Erzählungen, die die eigene Identität eines Menschen zur Mode umdeuten wollen

Hier werden Hürden aufgebaut, die es nicht braucht.

Diese Hürden sind Ausdruck des Zweifels an der Selbstaussage über die eigene geschlechtliche Identität

  • Und für den Spannungs- und Verteidigungsfall belibt das männliche Geschlecht im Zweifel direkt bestehen

Und hier wird dann auch direkt gesagt, dass die Selbstaussage nicht anerkannt wird.

Das ist psychische Gewalt gegen trans* Menschen

  • Das Hausrecht bleibt durch das neue Selbstbestimmungsgesetz unberührt

Auch hier wird die Selbstauskunft über die eigene geschlechtliche Identität nicht anerkannt

Stattdessen übernimmt die Politik hier wieder ein rechtes Narrativ über sogenannte Männer in Frauenkleidung, die sich in Schutzräume für Frauen einschleichen wollen

Das ist doe reine Täter -Opfer-Umkehr. 

Männer müssen keine Kleider tragen,  um Frauen zu bedrohen

Und was ist mit unseren Kindern?

Ihnen wird diese Selbstauskunft, dieses Wissen über die eigene Identität  vollkommen abgesprochen

Die Formen der Gewalt und der Diskriminierung sind zahlreich

Witze über Frauen, die aussehen wie Männer, verletzen. 

Als Mann zu einem Frauenarzt gehen zu müssen statt zu einem Gynäkologen

Oder auch eine generelle Unfähigkeit medizinischer Fachpersonale im Umgang mit trans*identen Menschen ist körperliche Gewalt.

Denn diese Unfähigkeit führt dazu, dass trans* Menschen seltener zu Ärzt*innen gehen

Aus Angst vor einer unwürdigen Behandlung

Gleiches gilt für den Gang zu Polizei oder all den anderen Behörden

Und dazu kommen die vielen dummen Sprüche, die absichtliche Verletzung durch Worte.

Das Verfolgen

Das Bespucken

Schupsen

Das Schlagen

Das Treten

Das Töten

Und nach dem Mord wird das Opfer in der Presse misgendered und gedeadnamed

Die meisten Morde an trans Menschen werden nicht aufgeklärt

Die eine Form der Gewalt baut auf der anderen auf.

Wenn wir einen Spruch zulassen,

wenn wir unserer Sprache keine Beachtung schenken,

wenn wir es zulassen, dass trans Personen unter Generalverdacht stehen,

dann tragen wir zur Normalisierung dieser psychischen Gewalt bei

Ermöglichen den nächsten Schritt

Gewalt kommt nie plötzlich, nie vollkommen unerwartet

In unserer Gesellschaft werden immer wieder transfeindliche Narrative aufgegriffen, wiederholt und letztlich in Gesetze gegossen

Dies ist nicht die uneingeschränkte Selbstbestimmung und Unterstützung, die trans Menschen brauchen

die ihnen zusteht

Und auch die Verschärfung der aktuellen Asylpolitik schränkt den Schutz queerer Geflüchteten erheblich ein

Dies geschieht durch GEAS aber auch durch die entfallende finanzielle Unterstützung des Projekts der Rainbow Refugees

Wenn wir über transfeindliche Gewalt sprechen, kommen so viele Aspekte gesellschaftlichen Lebens zusammen

Die Gewalt gegenüber trans Menschen nimmt in den letzten Jahren stetig zu

Symbolisch dafür stehen die Übergriffe auf die diesjährigen CSD und damit auf die gesamte queere Community

Wir sehen hier einen Ausdruck des gesellschaftlichen Rechtsruck und sich verstärkender faschistischer Tendenzen

Den strukturellen Formen der Diskriminierung und Gewalt, den gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck, unseren eigenen diskriminierenden Erzählungen müssen wir uns immer wieder stellen

Und entgegenstellen

Wir, die queere Community und ihre Allies, 

Wur erinnern nicht nur an unsere Toten.

Wir wissen, dass erinnern bedeutet, 

zu kämpfen und 

zu verändern.

Sonja Götz

Die ersten Worte sind immer die schwersten. Ich denke, die meisten von euch werden es kennen. Etwas beschäftigt uns, belastet uns, oder wir sind mit etwas konfrontrontiert, und wissen nicht was wir tun sollen, und am Ende tun oder sagen wir nichts.

Weil wir Angst haben. Angst davor, etwas falsch zu machen. Oder weil wir das Gefühl haben, es bringt doch eh nichts, also kann ich es auch gleich lassen.

Aber das kann, je nach Situation, fatale Folgen haben.

Viel zu oft hört man in den Nachrichten, dass Menschen in der Öffentlichkeit in Not geraten, Hilfe brauchen, aber niemand hilft.

Weil die Menschen darum herum Angst haben. Oder denken, irgendjemand wird schon irgend etwas tun.

Und am Ende ist vielleicht ein Mensch ums Leben gekommen oder getötet worden!

Aber wie kann man diese Angst und diese Lähmung nun überwinden?

Manche Sachen kann man tatsächlich trainieren.
Wer einen Führerschein hat wird sich vielleicht/hoffentlich noch an den Erste Hilfe Kurs erinnern.

Und als ich anfing, mich auf diese Rede vorzubereiten, nach einem Anfang gesucht habe kam mir auch der Gedanke, es ist ja leider nicht das erste Mal, also sag einfach, was du normalerweise sagst.

Und da wurde mir kurz schlecht.

Normalerweise?


Nichts, aber auch gar nichts hieran sollte “normal” sein. Deshalb habe ich mich heute ganz bewusst gegen meinen sonstigen Ablauf entschieden, was ich allerdings übernehmen musste ist die Triggerwarnung.

Und die nicht deutlich genug ausfallen, bei mir liegen die Nerven zu blank, als dass ich viel schönreden könnte. Denn je mehr wir uns an etwas gewöhnen, desto weniger wird sich ändern!

Aber wie sollen wir denn etwas ändern, wenn wir starr sind vor Angst und nicht wissen, was wir überhaupt tun können?
Wie gesagt, einige Sachen kann man wirklich üben, grundsätzlich gilt aber:
Solange ihr euch nicht selbst gefährdet, ist ETWAS zu tun am Ende immer besser als nichts zu tun.

Das sagen ja auch die Rettungskräfte immer wieder:
1. Selbstschutz. 2. Helfen! Irgendwie.

Weil es kann um Leben und Tod gehen.

So wie heute.

Für die Menschen, derer wir heute gedenken, kommt die Hilfe zu spät.
Es wird geschätzt, das ca. 0,5% der Weltbevölkerung trans ist. Wie viele dieser Menschen jedes Jahr umgebracht werden, weil sie eben auch trans sind, ist schwer zu sagen. Oft ist es den Behörden nicht bekannt, oder es interessiert sie nicht.
Es gibt aber eine Organisation, die sich die bittere Aufgabe auferlegt hat, genau dazu Infos zu suchen.
Sie kommt seit mehreren Jahren auf über 300 Mordopfer pro Jahr weltweit, seit 2023 sind es über 350.

Aus diesem Grund haben wir heute auch diese Lichter mitgebracht, es sind etwas über 300 und jedes von ihnen steht für einen ermordeten Menschen.


Über 300, und das sind nur die, bei denen man den Hintergrund erfasst hat.

Wenn wir jetzt noch bedenken, dass in vielen Ländern der Erde unsere Rechte mit Füßen getreten und systematisch immer weiter eingeschränkt werden, muss man davon ausgehen, dass die Dunkelziffer bei weitem höher ist.

Und die Gewalt nimmt zu.

Genau deshalb ist es so wichtig, zu handeln!

Und deshalb ist das hier auch keine “normale” Trauerveranstaltung!
Es wird noch ein Moment der Stille kommen, aber vorher erheben wir noch unsere Stimmen. Denn es geht um Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und die Opfer, derer wir heute gedenken, sind nur die Spitze des Eisbergs!
Aber so bedrückend all das auch ist, wir stehen in diesem Kampf auch nicht alleine, wir stehen hier zusammen und erheben auch gemeinsam unsere Stimme.

Seit ich anfing, diese Rede zu schreiben, ging mir ein Satz nicht mehr aus dem Kopf, den ich irgendwann mal aufgeschnappt habe:

“Die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich auch daran, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht.”

Als dann die Idee mit den Lichtern kam, war es wie eine Lawine, eine Lawine aus Fragen und Antworten, eine schlimmer als die andere:
“Müssten wir nicht viel mehr Lichter entzünden? Eines für jedes Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie viele wären das? Und warum tun wir es nicht?”
“Wollten wir all der Opfer mit einer Schweigeminute gedenken, wie lange müssten wir schweigen? Und warum tun wir es nicht?”

“Und warum tun wir es nicht?”

Meine bittere Vermutung ist: Weil es nicht erwünscht ist. Wir könnten ja anfangen zu begreifen, was so alles schief läuft. Und wir können bemerken, dass Menschen gezielt Fadenkreuze auf die Stirn gemalt werden.

So wie bei den Menschen, derer wir heute gedenken, und so bitter es auch ist, mich mit ihren Schicksalen zu beschäftigen hat mir wieder einmal vor Augen geführt, es geht hier um weit mehr als um Gewalt gegen Transmenschen.

Denn 94% der Opfer waren feminin, und im letzten Jahr wurden 1795 Frauen ermordet, weil sie Frauen sind.
93% der Opfer waren dunkelhäutig, laut dem Department of Justice in den Staaten sind Rasse bzw. Ethnizität bei über 50% der Hassverbrechen auslösender Faktor, an zweiter Stelle Religion mit 22%.
Aber warum erwähne ich das hier und jetzt?
Weil es zeigt, dass die Gewalt gegen Transmenschen nur die Spitze des Eisbergs ist!
Weil es zeigt, dass der Gewalt ein Hass zugrunde liegt, dem wir nur wirksam entgegen treten können, wenn wir aufhören, Unterschiede zu machen!

Wir müssen aufhören, uns teilen zu lassen!

“Teile und herrsche!” ist eine uralte Strategie der Herrschenden, um sich die Macht zu sichern, du musst einfach Zwietracht unter deinen Gegner säaen, dann bekämpfen sie sich untereinander und du hast deine Ruhe.

Aber da mache ich nicht mehr mit! Cis-Trans, Mann-Frau, hell dunkel, ich stehe hier als Mensch, und ich kämpfe für die Menschenrechte. Punkt! Und ich habe keine Angst mehr, Fragen zu stellen und Antworten zu geben!

Zum Beispiel, woher dieser ganze Hass eigentlich kommt?

1. Gesellschaftliche Verantwortung.
Es ist belegt, dass Dinge wie soziale Ungleichheit, wirtschaftliche Unsicherheit und unzureichender Zugang zu Bild und Gesundheitsversorgung den gesellschaftlichen Nährboden für Vorurteile und Diskriminierung bereiten. Umgekehrt fördern Investitionen in Bildung und ein gerechtes Sozialsystem das kritische Denken und reduzieren die Akzeptanz von Hass.

2.Die Gewaltspirale

Doch leider erleben wir seit Jahrzehnten genau das Gegenteil. Mieten steigen, Löhne sinken, das Bildungsniveau geht den Bach herunter, für Kinder bleibt weder Zeit noch Geld, die medizinische Versorgung wird immer schlechter, also reichlich Spannungsfelder und Krisen, die dann, wie beschreiben, Nährboden für die Gewalt sind.

Und auch das ist belegt:
“Die Eskalation von Gewalt beginnt oft mit Stereotypen, Beleidigungen und Ausgrenzung. Laut Sozialforschern führt eine verbreitete Entmenschlichung von Minderheiten häufig zur Verrohung der Gesellschaft gegenüber ihnen. Studien belegen, dass herabwürdigende Rhetorik in Medien und Politik Gewalt gegen marginalisierte Gruppen schürt.”

Und wem das irgendwie bekannt vorkommt, ja, hatten wir ALLES schon mal, ist gar nicht so lange her:

3. Historische Parallelen:
In autoritären Regimen wie dem Dritten Reich wurden zunächst Gesetze geschaffen, um Menschengruppen zu entmenschlichen, was in die systematische Gewalt und Vernichtung mündete. Diese Dynamik zeigt sich auch heute, wenn transfeindliche Gesetzgebung Gewalt gegen Transpersonen verstärkt.
Beispiel Russland, Transitionen sind überhaupt nicht mehr möglich.
Beispiel USA: 2024 Derzeit 664 Anträge für Anti-Transgesetze unter Beobachtung.
“We track legislation that seeks to block trans people from receiving basic healthcare, education, legal recognition, and the right to publicly exist.”
(translegislation.com)

Vereinfacht gesagt: Es wird ganz gezielt ein gesellschaftliches Klima geschaffen, in dem Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufgehetzt werden. 

Aber warum und was können wir tun?

1. Zur Frage warum:
Es gibt keine sanfte Art, das zu umschreiben, also muss ich jetzt mal deutlich werden:
Weil ein paar Menschen davon profitieren. Weil viel zu oft eben doch Geld die Welt regiert.

2022 besaßen weltweit 1,1% der Erwachsenen 45,8% des Vermögens, während 52,5% der Bevölkerung gerade mal 1,2% des Vermögens besaßen.

Wir haben kein Armuts-, wir haben ein Verteilungsproblem!
Wenn es also heißt, es gibt kein Geld für Investitionen in Bildung und Soziales und für die Pflege und für queere Projekte, dann ist das schlicht eine Lüge!
Denn diese Investitionen würden kritisches Denken fördern, der Angst und dem Hass würde der Nährboden entzogen und das ist nicht gewünscht. Denn Angst und Zorn machen manipulierbar.


2. Also, was können wir tun!
Selbstschutz. Kritisch Denken. Vernetzen. Kämpfen
Selbstschutz: Achtet auf euch, niemand hat etwas davon, wenn ihr euch überfordert oder in Gefahr bringt!
Kritisch sein: Wir nehmen viel zu viel einfach hin. Informiert euch, hinterfragt, vor allem auch Medien und die Poliitk, und kritisiert, wenn es irgendwo stinkt.

Vernetzen: Und tauscht euch darüber aus. Welche Quelle ist gut, welche parteiisch. Gemeinsam sind wir stark. Der Austausch wird besser, unsere Stimmen werden lauter, wir können schneller reagieren und auch besser füreinander da sein.

Mit “wir” meine ich dabei übrigens alle Menschen, die für eine bessere Welt kämpfen.

Kämpfen

Und die gibt es. Denn der Kampf für die Menschlichkeit wütet, seit es die Menschheit gibt, denn es gibt immer ein paar, die nur an sich denken.

Aber es gibt auch immer die, die sich wehren.

1517 Luther gegen die Kirche. 1789 die französische Revolution und Olymp de Gouges, deren Erklärung der Frauenrechte als das erste feministische Manifest gilt.

1955, keine 100 Jahre her, der Widerstand gegen die Rassentrennung in den Staaten.

Und am 20.11.1995 wird Chanelle Pickett ermordet, bei weitem nicht die erste ermordete Transfrau, aber ihr Tod gilt als Auslöser für den “Trans Day of Remembrance”.

Bin auch ich müde, diesen Kampf kämpfen zu müssen? Oh ja.

Aber geben wir auf, haben diese Menschen umsonst gekämpft. Und die Opfer, derer wir heute gedenken, haben völlig umsonst ihr Leben verloren.

In unserem Grundgesetz steht:

§1 “Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.”

Auch für diesen Paragraph haben Menschen gekämpft, aber jeden Tag wird die Würde von Menschen verletzt. Und wer das nötige Kleingeld besitzt, wird nicht einmal zur Rechenschaft gezogen.

Also müssen wir für unsere Würde kämpfen. Denn Druck erzeugt Gegendruck und ich weigere mich, kampflos Teil der traurigen Statistik zu werden!

Wenn wir also keine Revolution wollen, brauchen wir ein Ende des Turbokapitalismus, wir brauchen Investition in die WIRKLICH systemrelevanten Strukturen wie Bildung, Gesundheit, Soziales. Denn nur, wenn es auf der Welt endlich gerechter zugeht, wird dem Hass der Nährboden entzogen!

Denen, die an der Ungerechtigkeit verdienen, wird das natürlich nicht gefallen, also müssen 

wir alle Register ziehen, die uns zur Verfügung stehen. Demonstrieren, Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung, Unterschriften sammeln, Vereinsarbeit, selbst Parteien gründen, Verfahren anstoßen, Anträge stellen, wie gesagt, praktisch alles ist besser als nichts zu tun.

Aber so, wie für unser eigenes Leben dabei Raum bleiben soll, soll auch für die Trauer Platz sein. Deshalb möchte ich euch jetzt noch einmal bitten, einen Moment im Stillen der Ermordeten zu gedenken. 

Die Dunkelheit der Nacht ist ein fester Bestandteil unseres Lebens. Und auch der Tod hat seinen Platz. Aber so, wie wir hier und heute der Dunkelheit ein Licht entgegenstellen, können wir manchmal auch dem Tod entgegen treten. Wir können die Opfer nicht wieder lebendig machen, aber wir können das Licht gegen die Dunkelheit in die Herzen sein. Denn manchmal braucht es gar nicht viel, um ein Leben zu retten, manchmal reicht schon ein Wort oder eine einfache Geste, um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.

Ich danke euch für eure Zeit, eure Anteilnahme und euren Mut, wünsche euch Kraft, Glück und Gesundheit und vergesst nie:
Ihr seid nicht allein!