“Wähl Liebe”-Demonstration in Darmstadt: 2.500 Menschen setzen ein starkes Zeichen für Vielfalt und Demokratie

Fotoalbum von Falk Fleischer

Darmstadt, 15. Februar 2025 – Unter dem Motto „Wähl Liebe“ versammelten sich am Samstagvormittag rund 2.500 Menschen auf dem Friedensplatz in Darmstadt, um ein kraftvolles Signal gegen Hass und Hetze zu setzen. Die Veranstaltung war Teil einer bundesweiten Aktion mit insgesamt 55 Demonstrationen in Deutschland und zusammengerechnet über 125.000 Teilnehmenden.

Der Auftakt der Demonstration wurde von Jörg Ott moderiert, der die Teilnehmer*innen mit organisatorischen Hinweisen einstimmte. Anschließend ergriff Jan Bambach, Vorstandsmitglied von vielbunt e.V., das Wort und machte in seiner Rede deutlich, warum die Rechte queerer Menschen kein selbstverständliches Gut sind, sondern immer wieder verteidigt werden müssen.

Ein bewegender Appell für Menschenrechte und Demokratie
Jan Bambach erinnerte an die zunehmende Gewalt gegen queere Menschen und die wachsenden Bedrohungen durch rechtsextreme Strukturen. Er verwies auf die dramatischen Ereignisse beim letztjährigen CSD in Leipzig, bei dem Neonazis versuchten, die Veranstaltung zu stören. Die steigende Anzahl queerfeindlicher Angriffe sei ein alarmierendes Zeichen für die Gesellschaft. „Queere Rechte sind ein Gradmesser für Demokratie. Wer anfängt, Rechte abzubauen, trifft zuerst Minderheiten – und am Ende alle“, betonte Bambach.

Drei zentrale Forderungen standen im Mittelpunkt der Veranstaltung:

  1. Grundgesetzlicher Schutz queerer Menschen – Die Identität queerer Menschen muss explizit im Grundgesetz verankert werden.
  2. Sichere Räume für queere Menschen – Schutz- und Beratungsangebote sind essenziell und dürfen nicht weiter finanziellen Unsicherheiten ausgesetzt sein.
  3. Konsequentes Vorgehen gegen Hass und Hetze – Queerfeindliche Gewalt und Hetze müssen entschieden bekämpft werden.

Demonstrationszug und Redebeiträge aus der Zivilgesellschaft
Nach der Auftaktkundgebung setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung. Auf einer Route von etwa zwei Kilometern durch die Darmstädter Innenstadt machten die Teilnehmenden mit Schildern, Bannern und Sprechchören auf ihre Forderungen aufmerksam. Die Demonstration verlief größtenteils friedlich, vereinzelt wurden Teilnehmende jedoch angepöbelt.

Nach der Rückkehr zum Friedensplatz folgten weitere eindrucksvolle Redebeiträge. Sam Gillessen von der DGB-Jugend Südhessen sprach über die Bedeutung von Freiheit und Sicherheit für alle Menschen und forderte, den Schutz queerer Menschen endlich im Artikel 3 des Grundgesetzes zu verankern. Sonja Götz, ebenfalls Vorstandsmitglied von vielbunt e.V., unterstrich die Notwendigkeit einer nachhaltigen Finanzierung queerer Beratungsstellen und Schutzräume. Han Dittmar vom Gender_Queer-Netzwerk der TU Darmstadt machte auf die alarmierende Zunahme queerfeindlicher Gewalt aufmerksam und forderte entschlossene Maßnahmen gegen rechte Hetze.

Bundesweite Mobilisierung: 55 Demonstrationen zeitgleich in Deutschland
Die Veranstaltung in Darmstadt war Teil einer groß angelegten bundesweiten Mobilisierung. Zeitgleich fanden Demonstrationen in 55 Städten statt, bei denen insgesamt über 125.000 Menschen auf die Straße gingen, um sich gegen den Rechtsruck und für eine offene und demokratische Gesellschaft stark zu machen.

Blick in die Zukunft: Wähl Liebe!
Die Demonstration in Darmstadt war nicht nur ein Ausdruck des Widerstands gegen Diskriminierung und Hass, sondern auch ein Aufruf an die Gesellschaft, Verantwortung zu übernehmen. Die Organisator*innen appellierten an alle Wahlberechtigten, sich aktiv an der Bundestagswahl am 23. Februar zu beteiligen und mit ihrer Stimme für eine inklusive und demokratische Gesellschaft einzutreten.

Rede Jan Bambach

Liebe Menschen. 28°, Sonnenschein, T-Shirt-Wetter und beste Laune. Das war der Samstag, 17. August 2024, während unseres Christopher Street Days in Darmstadt letztes Jahr.

Während wir hier bunt und sicher standen, konnten wir für einen Augenblick vergessen, was alles aktuell in diesem Land abgeht. Wir hatten einen sicheren Raum für uns und konnten ungestört wir selbst sein. Die zahlreichen Bilder, die wir auch noch auf unserer Website haben, bezeugen das. Doch das waren nicht die, die wir im Anschluss im Spiegel, in der Zeit oder gar in der Tagesschau sahen.

An diesem Tag fand zeitgleich der CSD in Leipzig statt. Hunderte Neonazis folgten dort dem Aufruf, den CSD zu stören. Teilnehmende pöbelten, brüllten queerfeindlich, zeigten NS-Symbolik und teilweise auch Hitlergrüße. Es lief uns eiskalt den Rücken herunter. Als ich hier auf dem Platz gegenüber vor einem halben Jahr noch zu Beginn des Tages Solidarität mit den Menschen unserer Community ausdrückte, wusste ich selber noch nicht, was sie da ertragen müssten.

Eigentlich dürfte es uns nicht überraschen. Wir leben in einem Land, in dem queere Menschen über Jahrzehnte kriminalisiert wurden. In dem der § 175 mehr als 120 Jahre lang für Verhaftungen und gesellschaftliche Ächtung sorgte. In dem Schwule und Lesben noch in den 90ern mit „moralischen Bedenken“ aus ihren Jobs gedrängt wurden. Wer glaubt, dass die Rechte von queeren Menschen gesichert sind, weil es die Ehe für alle gibt oder das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet wurde, übersieht die Realität. Hass und Hetze nehmen zu, queerfeindliche Gewalt steigt, und es gibt Parteien, die gezielt daran arbeiten, queere Errungenschaften wieder zurückzudrehen.

Das macht zunächst hilflos. Doch nicht lange. Im Oktober haben sich alle CSD-Vereine in Deutschland in Nürnberg getroffen. Es ist etwas passiert, was noch nie zuvor passiert ist: Bei der Frage, ob man sich vereint für ein gemeinsames Slogan aller CSDs im Jahr 2025, gingen alle Hände nach oben.

Wir stehen dieses Jahr vor einer Wahl:

Nehmen wir es hin, wenn unsere Rechte nicht weiter ausgebaut oder nicht geschützt werden?

Nehmen wir es hin, wenn unsere Identitäten durch Gender-Verbote unsichtbar gemacht werden?

Nehmen wir es hin, wenn unser Schutz zur Verhandlungsmasse wird im Rahmen von Koalitionsgesprächen?

Nehmen wir es hin, wenn man fordert, mehr Milei oder Musk zu wagen, wenn der eine Hassgewalt schützt und Demonstrationen zerschlagen lässt, der andere vielleicht Hitlergrüße zeigt, aber definitiv nicht nur das eigene trans Kind terrorisiert, sondern dabei hilft, die Rechte von trans Personen in einem ganzen Land wegzunehmen?

Nehmen wir es hin, wenn man nachvollziehen kann, dass für die USA nur noch zwei von Geburt an gegebene Geschlechter existieren, dadurch nicht-binäre Personen ihre Pässe verlieren, von heute auf morgen möglicherweise nicht mehr ausreisen können, oder trans* Personen durch das Vorenthalten von medizinischer Hilfe gefährdet werden?

Nehmen wir es hin, wenn ein Rückschritt, droht der mühsam erkämpfte Errungenschaften gefährdet?

Wir haben in Nürnberg unsere Hand für eine gemeinsame Kampagne gehoben, weil das aufhören muss, sich gegenseitig bei der Menge der geforderten Grenzen und Einschränkungen für Minderheiten zu überbieten.

Wir haben unsere Hand gehoben, weil das aufhören muss, sich gegenseitig bei der Anzahl der Geschlechter zu unterbieten und Selbstbestimmung einzuschränken.

Wir haben unsere Hand gehoben, weil wir das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, auf gleiche Chancen, auf ein Leben ohne Angst fordern.

Weil wir dort, wo andere nur schwarz-weiß sehen, den Regenbogen sehen.

Weil wir sagen: wähl nicht Hass, sondern wähl Liebe.

Liebe Menschen. 2°, bewölkt, Winterjackenwetter. Wir stehen trotzdem da und so werden wir den 15. Februar 2025 in Erinnerung behalten. Gemeinsam. Sicher. In 55 Städten in Deutschland gleichzeitig. In jeder Stadt aus demselben Grund. “Wähl Liebe.” Seit wann spielt Liebe in der Politik eine Rolle? Seit immer! Einige Menschen sagen zu dieser “Liebe” eben “Liebe”. Andere Menschen sagen dazu aber: “sozial”. Oder “Christlich”. Oder “grün”. Oder “liberal”. Oder “antifaschistisch”. In diese Reihe passt etwas, was sich als “Alternative” zu diesen Dingen sieht, nicht rein. Denn das, was diese anderen Begriffe verbindet, ist die Liebe zur Demokratie.

Haben wir nicht andere Probleme?

Natürlich gibt es viele Themen, die uns bewegen: Wirtschaft, Außenpolitik, soziale Gerechtigkeit. Doch queere Rechte sind kein Luxusproblem. Sie sind ein Gradmesser für Demokratie. Wer anfängt, Rechte abzubauen, trifft zuerst Minderheiten – und am Ende alle. Wir wollen für diese Wahl drei Dinge:

Wir wollen ein Grundgesetz, das schützt.

Queere Menschen verdienen denselben Schutz wie alle anderen. Doch unsere Identität steht nicht im Grundgesetz. Das muss sich ändern – bevor es zu spät ist!

Wir wollen sichere Räume, die Leben sichern.

Jugendzentren, Beratungsstellen, Schutzräume – sie sind kein Lametta gegen Langeweile, sie unterstützen und retten Leben. Doch sie kämpfen ums Überleben. Wir fordern: stabile Finanzierung statt ständiger Existenzangst!

Wir wollen Schluss mit Hass.

Queerfeindliche Gewalt nimmt zu, Hetze wird salonfähig. Wer Menschen schützen will, muss Hetze stoppen. Wer mit Hass Politik macht, stellt sich gegen die Demokratie.

Mit diesen drei Forderungen müssen wir die Mehrheitsgesellschaft erreichen! Wir dürfen nicht darauf hoffen, dass 40 oder 50 Prozent im Bundestag ausreichen – wir brauchen eine überwältigende Mehrheit, die für Demokratie, für Menschenrechte, für uns einsteht!

Das bedeutet: Wir müssen aufeinander zugehen. Wir müssen reden. Nicht, um über unsere Rechte zu verhandeln – denn die sind nicht verhandelbar! Sondern, um klarzumachen, dass eine Gesellschaft, in der alle sicher sind, am Ende allen nutzt.

Das ist nicht immer einfach. Es wird unangenehme Gespräche geben. Aber wir müssen sie führen – mit unseren Nachbar*innen, mit Freund*innen, mit unserer Familie. Wir müssen ihnen erklären, warum es nicht egal ist, ob und wo sie ihr Kreuz machen. Warum es nicht reicht, einfach nur „gegen etwas“ zu sein, sondern dass wir für etwas eintreten müssen: für eine Gesellschaft, die niemanden ausschließt! Für eine Zukunft, in der Menschenrechte nicht zur Diskussion stehen!

Es geht dieses Jahr um mehr als zwei Kreuzchen. Die Bundestagswahl 2025 ist eine Richtungswahl: Werden die Rechte von LSBTIQ verteidigt oder zurückgedreht? Werden wir als gleichwertig anerkannt oder unsichtbar gemacht?

Deshalb sagen wir: Wer Hass wählt, verliert Freiheit. Wer Angst sät, erntet Unsicherheit. Aber wer Liebe wählt, bekommt menschenfreundliche Politik, Sicherheit für alle und macht Schluss mit Hass. Wählt eine Zukunft, in der Vielfalt nicht verhandelt wird. Wählt eine Demokratie, die schützt! Wählt Liebe.

Rede Sam Gillessen

Liebe Kolleg*innen, liebe Freund*innen,

es ist so wichtig, dass wir gerade hier stehen und ein Zeichen für eine vielfältige Gesellschaft setzen. Dass wir hier stehen, nachdem letzte und vorletzte Woche zwei Mal mehr als 10.000 Menschen in Darmstadt gegen rechte Hetze auf den Straßen waren, gibt mir Hoffnung.

Eine der Forderungen, wegen der wir hier stehen, ist eine Gesellschaft, die Freiheit und Sicherheit für alle bietet. Mir fiel es etwas schwer, das greifbar zu machen, weil ich erstmal überlegen musste, was Freiheit und Sicherheit für mich bedeuten.

Freiheit bedeutet in erster Linie, selbstbestimmt leben zu können. Ich konnte am 13.11.2024 endlich als nichtbinäre Person meinen Vornamen und Geschlechtseintrag ändern. Und das wurde verdammt nochmal endlich Zeit! Von Faschisten und ihren konservativen Freund*innen gibt es nun Rufe, das Selbstbestimmungsgesetz wieder abzuschaffen. Dazu sagen wir ganz klar: Angriffe auf unsere Selbstbestimmung nehmen wir nicht hin!

Freiheit bedeutet nämlich auch die Wahrung der Grundrechte. Wenn wir uns die Gewalt gegen Demonstrierende in Riesa anschauen, muss ich an dieser Stelle betonen: Das gilt auch für das Recht auf Versammlungsfreiheit! Die Gewalt und Diskriminierung gegen uns als queere Menschen hat in den letzten Jahren zugenommen. Wenn wir wirklich die Grundrechte wahren wollen, muss endlich der Schutz von queeren Menschen ins Grundgesetz aufgenommen werden!

Denn Freiheit bedeutet Freiheit von Diskriminierung. Mindestens 40% der in Studien befragten trans Menschen erleben regelmäßig Diskriminierung am Arbeitsplatz. Hier gibt es noch so verdammt viel zu tun! Wir müssen die betriebliche Mitbestimmung ausbauen, denn starke Betriebs- und Personalräte können bei Diskriminierung vor Ort unterstützen. Der Gesetzgeber muss Beschwerdestellen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz stärken, damit es direkte, geschulte Ansprechpersonen in den Betrieben gibt. Und insbesondere brauchen wir einen gesellschaftlichen Wandel zu einer vielfältigen Gesellschaft!

Ich komm nun zum Thema Sicherheit.

In München ist vorgestern ein Mann in eine gewerkschaftliche Streikdemo gefahren. Unsere Gedanken sind bei den Verletzten, Angehörigen und den Kolleg*innen vor Ort. Als Mitarbeiter*in des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist es schwer, mit anzusehen, wie diese Tat gerade für rassistische Sicherheitsdebatten instrumentalisiert wird. Rassistische Abschiebewettbewerbe bringen niemandem etwas und richten sich am Ende auch gegen uns, weil dadurch Faschisten gestärkt werden. 

Gewalt gegen uns als queere Menschen geht vor allem von rechts aus. Das erleben wir doch alle tagtäglich, dass sich die Lage in den letzten Jahren durch rechte Diskurse verschlimmert hat. Und wir haben das auch bei den rechten Hetzkampagnen gegen die CSDs beispielsweise in Bautzen, Eisenach erlebt, aber auch bei den Angriffen auf die CSDs in Köln und Berlin. Diese Enthemmung wurde möglich durch die ständige Hetze, die vor allem durch die sogenannte AfD normalisiert wurde: Beatrix von Storch konstruiert eine angebliche Translobby und spricht bei geschlechtsangleichenden Behandlungen von Verstümmelung. Das ist widerlich! 

Faschisten und ihre Verbündeten zu stärken, ist fatal!  Es darf keine Zusammenarbeit mit denen geben, die unsere Demokratie abschaffen wollen. Es darf keine Zusammenarbeit mit denen geben, die spalten, ausgrenzen und Menschen systematisch entrechten wollen! Ich zitiere dazu aus Qualityland von Marc-Uwe Kling: „Man besiegt die verdammten Wölfe nicht, indem man mit ihnen heult. Wir können die Rechten nicht schlagen, indem wir rechte Parolen grölen. […] Wenn die Leute Scheiße wählen wollen, werden sie immer die Original-Markenscheiße wählen und nicht die aufgewärmte Instant-Scheiße“.

Wenn wir wirklich Sicherheit wollen, müssen wir rechte Akteur*innen konsequent bekämpfen. Und das erreichen wir eben durch SOZIALE Sicherheit! Rechte nutzen wirtschaftliche Unsicherheiten, um Sündenböcke zu schaffen. Wenn wir den Faschisten ihren Nährboden für ihre Hetze entziehen wollen, brauchen wir sichere Arbeit, gute Löhne, starke Tarifverträge, betriebliche Mitbestimmung und verdammt nochmal Umverteilung! Dafür kämpfen wir gemeinsam, in Schulen, Betrieben und Unis.

Wählen ist wichtig, setzt euer Kreuz am 23. Februar an der richtigen Stelle! Aber das reicht nicht: engagiert euch weiterhin, egal ob in Gewerkschaften, Parteien, Vereinen oder sozialen Bewegungen! Lasst uns gemeinsam zeigen: Wir stehen GEMEINSAM und entschlossen für eine bessere Welt!

Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov –  so hießen die Menschen, die bei dem rassistischen Anschlag von Hanau am 19. Februar 2020 ermordet wurden. Heute findet dazu die zentrale Kundgebung in Hanau ab 16 Uhr statt. Wir reisen gemeinsam ab 14:15 Uhr vom Hauptbahnhof an: schließt euch uns an und zeigt, dass wir uns nicht spalten lassen, dass wir gemeinsam gegen rechte Gewalt und an der Seite von Betroffenen stehen. Danke!

Rede Sonja Götz

“Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Glieder verfährt.”

Dieses Zitat stammt von Gustav Heinemann, dem dritten Bundespräsidenten Deutschlands, der die CDU mitbegründete und sich später der SPD anschloß. Heinemann setzte sich für sozial Ausgegrenzte ein und trug mit dazu bei, dass der Paragraph 175 abgeschafft wurde, der Ehebruch und männliche Homosexualität zu einer Straftat machten.

Dass wir uns heute hier versammeln müssen, zeigt deutlich, wie es um den Wert, die Menschlichkeit unserer Gesellschaft bestellt ist. 

Denn leider sind es auch die schwächsten Glieder einer Gesellschaft, bei denen sich Hass und Gewalt entladen. In Zeiten gesellschaftlicher Spannungen trifft es zuerst die, die sich am wenigsten wehren können. Das war unter den alten Nazis so, und es ist bei den neuen nicht anders.

In der Praxis sieht das so aus, dass Menschen und ganze Menschengruppen zu Zielscheiben gemacht werden. Allerdings nicht diejenigen, die für die Spannungen verantwortlich sind, sondern jene, die sich am wenigsten wehren können. Die sich eignen, um von den eigentlichen Missständen abzulenken, um als Ventil zu dienen, als Blitzableiter, bei dem sich der aufgestaute Hass entladen kann.

Wir sehen das bei Menschen mit Migrationshintergrund und bei queeren Menschen, insbesondere Transpersonen. 

Die CDU will das hart erkämpfte Selbstbestimmungsgesetz kippen, die AfD Unterstützung für trans Jugendliche kriminalisieren und die Ehe für alle wieder abschaffen, AfD und CDU gehen gegen das Gender vor – nur, welche gesellschaftlichen Probleme werden damit gelöst? Keines. Absolut keines.

Aber wir sind eine bequeme Projektionsfläche. Wir sind nicht viele, laut Statistischem Bundesamt stellen queere Menschen 3-5% der Wahlberechtigung. Und queer zu sein, kann auch viel Kraft kosten, Kraft die wir dann nicht haben, um uns auch noch gegen Hetze und Gewalt von rechts zu verteidigen. Genau deshalb braucht es Akteure wie Vielbunt. Wir schaffen Strukturen, die Halt geben, Räume, die Schutz bieten, die zeigen: Du bist nicht allein. 

Wir helfen, so gut wir können, mit den Herausforderungen umzugehen, die ein queeres Leben mit sich bringen kann, und das können einige sein.

Nicht-binäre Menschen sehen sich mit starren Geschlechterrollen konfrontiert und einer Sprache, die für sie noch keine Pronomen kennt. Stichwort Gendern.

Bisexuelle Personen müssen sich immer wieder anhören, sie könnten sich nicht entscheiden.

Transpersonen mussten, als es das Selbstbestimmungsgesetz noch nicht gab, teure Gutachten und Gerichtsverfahren hinter sich bringen, bis 2011 wurden wir gezwungen, uns sterilisieren zu lassen, wenn wir unseren Personenstand ändern lassen wollten.

Der Paragraph 175, der ab 1871 Homosexualität unter Männern zu einer Straftat machte, wurde erst 1994 abgeschafft, erst 2004 wurde laut Hessenschau der letzte “175er” aus dem Gefängnis entlassen, und “das ist ja schwul” wird auch heute noch abwertend verwendet.

Das sind nur ein paar Beispiele für Themen, mit denen sich queere Menschen beschäftigen müssen und für deren Verbesserung wir uns einsetzen.

Unsere Räume sind deshalb viel mehr als ein Ort mit vier Wänden. Für queere Menschen aller Altersstufen sind sie Orte des Ankommens, des Verstehens, der Sicherheit und des Austauschs. Und dieser Austausch ist wichtig, denn es ist eben keine Selbstverständlichkeit, dass Männer heute Männer lieben und heiraten dürfen. Dass Menschen sich nicht mehr sterilisieren lassen müssen, damit sie ihren Namen ändern dürfen. 

Diese Dinge, die selbstverständlich sein sollten, mussten erkämpft werden. 

Und auch diese Räume zu schaffen und zu verankern, in unseren Städten, in unserer Gesellschaft, in unseren Rechten, auch das ist ein Kampf.

Obwohl es Aufgabe der Regierung ist, für den Schutz von Minderheiten zu sorgen, entzieht sie sich seit Jahrzehnten mehr und mehr dieser Verantwortung. Immer mehr Last wird von Menschen im Ehrenamt geschultert, wenn Gelder gestrichen werden, bleiben oft nur noch Spenden oder die Mitgliedsbeiträge, um Angebote finanzieren zu können.

Es braucht also dringend wieder verlässliche, nachhaltige Konzepte, wie unsere Angebote finanziert werden können. Gerade bei Projekten, die Menschen Schutz, Sicherheit und Halt geben, ist es fatal, wenn aufgrund unsicherer Finanzierung die Angebote plötzlich wegbrechen. Dabei liegt noch ein weiter Weg vor uns!

Paragraph 175 wurde zwar abgeschafft, es gibt im Moment die Ehe für Alle und das Selbstbestimmungsgesetz, aber ich sage bewusst “im Moment”.

Denn alles, was wir erreicht haben, kann uns auch wieder genommen werden.

In mehreren Bundesländern wurde ein Verbot der gendergerechten Sprache angekündigt, in Bayern und auch in Hessen ist es inzwischen in Kraft.

Dass die Antidiskriminierungsstelle das als verfassungsrechtlich problematisch sieht, scheint egal zu sein.

Zitat von Ferda Atama, Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung im ZDF:

“Menschen zu verbieten, inklusive Sprache zu verwenden, ist ein Rückschritt ins letzte Jahrhundert. Der Staat sollte Respekt und Toleranz fördern, nicht verbieten.

Aber was Ferda Atama zu Recht als Rückschritt anprangert, bezeichnen andere als Fortschritt.

Vor zwei Jahren wurde in den USA das Recht auf Abtreibung aufgehoben, die Säuglingssterblichkeit stieg danach um bis zu 7%.

Der neue Präsident der Vereinigten Staaten hat Transpersonen bereits an seinem ersten Tag im Amt die Daseinsberechtigung abgesprochen, die Ehe wird als Verbindung von Mann und Frau definiert. Sein Schattenpräsident Elon Musk sympathisiert ganz unverhohlen mit Alice Weidel von der AfD.

Die AfD, die bereits 2018 versucht hat, die Ehe für Alle wieder abzuschaffen und auch jetzt mit diesem Vorhaben wieder in den Wahlkampf zieht. 

Die AfD, die mit Hetze gegen Transpersonen erfolgreich auf Stimmenfang geht, wie die Wahlergebnisse und die zunehmende Gewalt gegen Transpersonen auf brutale Weise zeigen.

Aber wir wehren uns! Wir lassen uns nicht mundtot machen und wir geben nicht kampflos all das auf, wofür so lange und so hart gekämpft wurde!

Wir lassen uns nicht als Blitzableiter missbrauchen, an dem sich gesellschaftlicher Frust entlädt, während die Probleme ungelöst bleiben.

Auch deshalb ist unser Widerstand so wichtig, denn er zwingt die Verantwortlichen, Farbe zu bekennen.

Wir machen deutlich: Es geht den Faschisten nicht um Lösungen. Sie wollen eine Gesellschaft, die ihrer konservativen Ideologie entspricht – und dafür sind sie bereit, über Leichen zu gehen. Und das ist nicht nur eine Redewendung: Körperliche und seelische Gesundheit queerer Menschen, vor allem Jugendlicher, leiden unter der Gewalt, mit fatalen  Folgen. Eine Studie in der Schweiz kam zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Suizid zu begehen, bei queeren Menschen 4mal höher ist als beim Rest der Bevölkerung. Jede Form von Unterstützung – sei es medizinische Hilfe, Beratungsangebote oder eben auch Schutzräume – wirkt dem entgegen, sie rettet Leben. Wer uns diese Unterstützung nehmen will, sagt also ganz klar: Ein Recht auf Leben hat nur, wer in mein Weltbild passt. 

Aber das ist keine Politik. Das ist Menschenverachtung. Wer Menschen ihre Rechte entzieht, wer sie entmenschlicht, gibt sie der Vernichtung preis. Und es ist keine hundert Jahre her, da wurde schon einmal von “lebensunwertem Leben” gesprochen und am Ende hatten Millionen ihr Leben verloren.

Aber Geschichte muss sich nicht wiederholen!

Wir können, wir müssen uns dem entgegenstellen!

Deshalb sind wir heute auf der Straße. Wir zeigen, es gibt eine echte Alternative!

Wir wählen nicht den Hass – wir wählen Liebe! Wir wählen Solidarität! Wir stehen zusammen, wir kämpfen füreinander, wir schützen einander! Denn nur, wenn wir uns gegenseitig stärken, entziehen wir dem Hass seinen Nährboden. Und nur gemeinsam können wir eine Zukunft bauen, in der alle Menschen – unabhängig von Geschlecht oder Herkunft, Identität oder Liebe – frei und sicher leben können.

Dafür fordern wir das Ende der Gewalt. Wir fordern einen entschlossenen Kampf gegen rechts und all jene, die unsere demokratische Gesellschaft zerstören wollen. 

Wir fordern ein klares Bekenntnis zu den Werten, die unsere Gesellschaft stark machen: Menschlichkeit, Vielfalt, Respekt, Schutz von Minderheiten. Und diese Forderung geht an alle Parteien, die sich demokratisch nennen, nicht nur an die CDU.

Denn für eine demokratische Regierung wird es ein breites Bündnis brauchen. Entsprechend sind alle Parteien gefordert, sich bei den entsprechenden Verhandlungen von der Menschlichkeit leiten zu lassen.

Auch SPD und Grüne haben in der Vergangenheit leider immer wieder gezeigt, dass der Kampf für queere Rechte an Wichtigkeit verliert, wenn es um Koalitionen geht.

Dafür haben 2018, als die AfD versuchte, die Ehe für Alle wieder abzuschaffen, 75 Abgeordnete der CDU FÜR eine Öffnung der Ehe gestimmt! 

Hier auch noch einmal als Erinnerung, im Artikel 38 steht (leider noch ungegendert) zu unseren Abgeordneten:”Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.”

Gewissen statt Fraktionszwang. Menschlichkeit statt Machtpolitik!

Lasst uns das fordern, laut und sichtbar! Und lasst uns niemals aufhören, füreinander einzustehen!

Rede Han Dittmar

Auch diese Rede wird leider schmerzhaft. Bestimmt gibt es unter uns solche, die gerade nicht noch eine Erinnerung an die vielen Schläge der letzten Jahre gegen unsere Demokratie und die queere Community verkraften wollen. Euch möchte ich den Raum geben, auch hier auf der Demo auf euch aufzupassen und lieber erst dann wieder zuzuhören, wenn wir gemeinsam laut werden und Hoffnung tragen.

Mir ist nur zu bewusst, dass viele diese Wahl nicht immer haben, dass wir uns im Alltag nicht immer aussuchen können, ob wir uns mit Hass auf unsere Lebensweisen auseinandersetzen wollen oder nicht. Manche von uns können closeted bleiben, halten es in bestimmten Situationen aus, nicht mit anderen darüber zu reden, wie sie fühlen. Andere würden sich damit zu viel Gewalt antun, tragen ihre Queerness schon notgedrungen nach außen, unabhängig davon, dass sie es den Hatern vielleicht auch einfach nicht gönnen, sich deretwegen zu verstecken. Viele von uns haben das lang und sehnlich erwartete Selbstbestimmungsgesetz genutzt. Bei aller Freude über den Rahmen für mehr Authentizität führt das in Situationen von Ausweiskontrollen, bei Reiseplänen ins Ausland, bei Ärzt*innen oder bei der Beantragung neuer Dokumente potentiell auch zu Schwierigkeiten und lässt Leuten nicht mehr die Wahl, sich als cis-geschlechtliche Bürgis lesen zu lassen. Und viele weitere von uns hatten nie die Möglichkeit überhaupt eine Abwägung zu treffen, weil sie nicht nur queer sind, sondern zum Beispiel auch sichtbar oder unsichtbar behindert, weil sie Unterstützung nutzen und dabei darauf angewiesen sind, in ihren Bedürfnissen für voll genommen zu werden, das aber leider viel zu oft nicht werden. Viele hatten nicht die Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, wie Menschen sie lesen, weil sie rassifiziert werden und damit in einer rassistischen Gesellschaft immer als “Andere” aufgefasst werden, selbst wenn sie vielleicht willens wären, sich an cis-hetero-Normen anzupassen, oder weil sie auf der Flucht sind und einem rassistischen Staat erstmal beweisen müssen, dass sie queer genug sind, um bleiben zu dürfen, dass die vielschichtige Gewalt, die ihnen hier droht, weniger schlimm ist als die, die sie oder ihre Angehörigen in ihrem Herkunftsland erfahren haben.

In dieser Einleitung sehen wir sofort, wie vielschichtig das Thema von queerfeindlicher Gewalt ist.

Auch wenn zumindest Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bereits im Grundgesetz verboten ist und die Verfolgung queerer Menschen theoretisch ein anerkannter Fluchtgrund ist, heißt das nicht, dass der Staat nicht selbst daran teil hätte, uns Gewalt anzutun. Expert*innen gehen davon aus, dass 90 % der queerfeindlichen Hasskriminalität gar nicht erst statistisch erfasst werden können. Ein Grund dafür ist, dass viele Queers sich gar nicht trauen, mit Gewalterfahrungen zur Polizei zu gehen, weil wir damit rechnen müssen, dass viele Polizist*innen Teil des Problems sind.

Und trotz dieser Einschätzung sind die Zahlen viel zu hoch und steigen bisher unaufhörlich. 2023 – für letztes Jahr habe ich noch keine Statistik gefunden – sind in Deutschland 1785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen begangen worden. Das sind 50 % mehr als im Jahr davor. Am häufigsten sind wir Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzung, Nötigung und Bedrohungen ausgesetzt. Bei den Gewalttaten wurden 212 Opfer festgestellt, mehr als eines alle zwei Tage! Allein in Hessen ist die Zahl der Vorfälle zwischen 2022 und 2023 um 66 % gestiegen, 42 % der Fälle sind Körperverletzungen. Und das sind eben nur die Zahlen ohne Dunkelziffer.

Berlin hat im Dezember den dritten Monitoringbericht zu queerfeindlicher Gewalt vorlegt. In einer Gesellschaft, die uns konstant kleinredet, zu einer Minderheit macht, die zu berücksichtigen den Aufwand nicht wert ist, sind solche Instrumente enorm wichtig. Sie machen eine abstrakte Zahl von Übergriffen verständlich. Sie zeigen den Verantwortlichen, diese Zahlen sind die Menschen, für die du zuständig bist und die deine Politik betrifft. Wenn wir durch ausführliche Berichte verstehen, in welchem Kontext Übergriffe stattfinden, wer dabei auf wen abzielt, ob und wie Taten verfolgt werden, können wir Konzepte erarbeiten, um einen besseren Schutz von Betroffenen zu erreichen.

Berlin ist das einzige Bundesland, das so ein Instrument hat.

Der Schutz von queeren Menschen darf nicht Ländersache bleiben. So gern ich mir ein queeres Utopia vorstelle, kann es nicht angehen, dass Queers bereits abwägen müssen, in welchem Bundesland sie sich sicher genug fühlen, um dort leben zu wollen. Es kann nicht sein, dass Bundesländer, die nicht mehr zu unserem Schutz beitragen, damit “belohnt werden”, dass wir Queers uns selbstständig zurückziehen und den Leuten, die im Land bleiben,  die Chance entziehen, mit uns zu leben und Vorurteile abzubauen. Gefahr für Leib und Leben darf nicht dazu beitragen, dass wir auch räumlich gespalten werden, wenn wir es politisch bereits in erschreckendem Ausmaß sind.

Wir haben bei den letztjährigen CSDs bereits gesehen, wie sich diese räumliche Trennung auswirkt. Viele CSDs, gerade in kleineren Städten, waren überschattet davon, dass Menschen besorgt waren, durch die Sichtbarkeit noch angreifbarer zu werden; nicht nur bei der Pride Parade, sondern auch danach, wenn sie sich dort mindestens als Sympathisant*in gezeigt haben und nicht mehr von der Menge geschützt werden.

Die rechten Kräfte wissen, wie die Kräfteverhältnisse vor Ort liegen und dass sie wenig dafür zu befürchten haben, wenn sie ihren Hass auf die Straßen tragen, nur weil wir frei sein wollen. Solange die Lage so prekär ist, müssen wir zusammen halten, solidarisch miteinander sein, Gegenmacht aufbauen.

Ich sage “solange”, nicht weil ich denke, dass das jetzt nur mal kurz so ist, dass früher alles besser gewesen sei oder dass sich das bald wieder hat. Sondern weil ich daran glauben will und muss, dass irgendwann alles, was wir uns erkämpft haben, nicht mehr mit so vielen Rückschritten einher geht und dass Liebe gegen Hass gewinnt.

Das ist aber kein Kampf, den wir alleine führen können oder müssen sollten.

Wir fordern dabei Unterstützung von der Politik, nicht nur auf der Länderebene, sondern auch auf der Kommunalebene, indem unsere queeren Zentren und Initiativen erhalten bleiben und weiterhin finanzielle Förderung bekommen. Und indem queere Lebensrealitäten auch in der Pflege, im Sport und in der Bildung und Beratung berücksichtigt werden und solche Angebote allen zugänglich gemacht werden, ob in der Stadt oder auf dem Land.

Wir fordern Support auch im digitalen Raum, wo seit Jahren Rechte über Zensur krähen, aber zunehmend linke und queere Inhalte “aus Versehen” gesperrt, unbegründet gelöscht oder sogar offen verboten werden, während Hasskriminalität im Netz selbst unter Klarnamen in aller Regel folgenlos bleibt. Wir fordern die Zugänglichkeit von queeren Inhalten, gerade auch für junge Menschen, die sich damit selbst erkunden. Und dabei einen besseren Schutz vor Hassrede und Falschinformation durch eine konsequente Umsetzung des Digital Services Act.

Wir fordern Unterstützung auch auf internationaler Ebene, indem nicht Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, nur weil sich dort ein neues illegitimes Regime stabilisiert, sondern die Schutzbedürftigkeit von queeren Geflüchteten anerkannt wird und Politiker*innen sich auch gegenüber anderen Staaten und in der Entwicklungszusammenarbeit proaktiv klar zum Schutz von LGBTQIA+ bekennen.

Wir fordern Rückhalt auf der Bundesebene, wo unser Existenzrecht nicht zur Debatte stehen, sondern unbedingt geschützt werden muss und wo Leute nicht darüber nachdenken sollten, wie man die Rechten durch Einschränkungen des SBGG und eine potentielle Neuauflage der Rosa Listen aus der NS-Zeit vielleicht ein bisschen glücklicher machen kann, sondern lieber darüber, wie sie queerfeindliche Einstellungen in der Bevölkerung abbauen können, wie sie es hasserfüllten Menschen erschweren, an Waffen zu kommen und wie sie dafür sorgen können, dass die Sicherheitsbehörden unser Vertrauen verdienen.

Um eine Chance zu haben, dass all diese Forderungen umgesetzt werden, sind wir darauf angewiesen, dass Parteien regieren, denen queeres Leben kein Dorn im Auge ist und denen etwas am Erhalt und der Förderung einer demokratischen Rechtsstaatlichkeit liegt. Dafür müssen wir uns auch innerhalb der queeren Community und mit unserem Umfeld zusammenraufen und aktiv für Parteien eintreten, die unser aller Freiheit wahren wollen. Und wenn es nur im eigenen Interesse ist, weil wir beobachten können, wie nach den Rechten der am prekärsten Lebenden nach und nach auch immer mehr Rechte von weiteren Bevölkerungsgruppen einkassiert werden:

Wenn ich selbst nicht schwanger werden kann, darf es mir nicht egal sein, wenn Parteien am Straftatbestand Schwangerschaftsabbruch festhalten. Wenn ich mir keine Kinder wünsche, darf es mir nicht egal sein, wenn Parteien queeren Familien die Anerkennung ihrer Verwandtschaft verwehren. Wenn ich lesbisch bin, darf es mir nicht egal sein, wenn Parteien transfeindliche Standpunkte vertreten. Wenn ich mich als trans-Mann identifiziere, darf es mir nicht egal sein, wenn Friedrich Merz Donald Trump “verstehen kann”, wenn der nur zwei Geschlechter anerkennt.

Wir alle tragen Verantwortung füreinander, betroffen oder nicht, wenn wir nächste Woche wählen gehen und damit der Politik sagen, was und wer uns wichtig ist.

Lasst uns diese Entscheidung bewusst treffen!

Lasst uns mit unserem Kreuz auf dem Wahlzettel ein Zeichen gegen Hass und Hetze und für die Liebe setzen!

Und lasst uns nach der Wahl zusammenkommen, und uns, egal was dabei rauskommt, gegenseitig stützen.

Danke.

Fotos von Falk Fleischer